02.03.2018 - Das Geschäft mit den zwei Anrufen, der Doppel-Anruf-Masche, floriert auch Anfang 2018 unverdrossen wie eh und je.
Bei einem unangekündigten Anruf, einem Spam-Anruf, wird Gewerbetreibenden erklärt, sie seien bislang kostenlos in einem Verzeichnis eingetragen. Weil nicht rechtzeitig gekündigt wurde, müsste jetzt gezahlt werden. Man wolle die Daten abgleichen. Auf den Einwand, derartiges sei unbekannt, heißt es, dies sei so registriert. Es gäbe nur noch die Möglichkeit, für einen kürzer oder einen länger laufenden Eintrag zu zahlen. Dass bislang keine Geschäftsverbindung bestand, wird für die Angerufenen nicht sofort deutlich. Sie glauben, in der Hektik des Geschäftsalltags etwas übersehen zu haben und jetzt noch am besten davon zu kommen, wenn sie die vermeintlich günstigste Möglichkeit wählen. Oder es wird behauptet, man habe in der Vergangenheit dafür gesorgt, dass der Firmeneintrag sich im Internet vorne befände, man sei Kooperationspartner von Google. Das sei bislang kostenlos gewesen, jetzt aber kostenpflichtig.
In einem zweiten Telefonat lassen sich die Firmen dann einen Vertragsschluss bestätigen. Dieses wird aufgezeichnet. Dabei werden die Daten so abgefragt, dass eine Bezugnahme auf die unwahren Behauptungen im ersten Anruf nicht deutlich wird und die Antworten in der Regel „ja“ lauten. Lug und Trug des ersten Anrufs gehen aus dem Mitschnitt nicht hervor.
[Der Trick mit der Doppel-Anruf-Masche]
Gericht dreht Beweislast faktisch um
Solche Firmen ziehen gerne gegen die Betroffenen vor Gericht. Als Beweis bieten sie den Mitschnitt an. Die Betroffenen sollen dann die arglistige Täuschung nachweisen – was Ihnen häufig schwer fällt.
Das Berliner Amtsgericht Neukölln (AG Neukölln – Hinweis vom 23.05.2017 – 8 C 399/16) hatte in einem Prozess der Blue GmbH aus 47355 Kleve gegen einen Berliner Handwerksbetrieb bei dieser Vorgehensweise Bedenken:
„Der dem Gericht übersandte Mitschnitt des Telefonats […] gibt nur den 2. Teil eines Gespräches wieder, in dem die Anruferin jeweils einen Gesprächsinhalt, der zuvor so stattgefunden haben soll, wiedergibt und die Zeugin […] hierzu regelmäßig ein bestätigendes „Ja“ oder „Jawoll“ einwirft. Mithin ist der Vorgang des mündlichen Vertragsschlusses selbst darauf nicht festgehalten.
Das Gericht ist nicht überzeugt, dass mit dieser Passage selbst ein Vertragsschluss ausreichend nachgewiesen wird; vielmehr erscheint es nicht ausgeschlossen, dass die Zeugin […] von der Situation eines telefonischen Ansinnens überrumpelt worden ist.
Nach eigener Erfahrung des Gerichts fragen Anrufer üblicherweise gleich zu Beginn eines Gesprächs, ob einer Aufzeichnung zugestimmt wird. Der Umstand, dass hier offenbar regelmäßig erst Vereinbarungen getroffen worden sein sollen, bevor dann in einem 2. Schritt erst eine Aufzeichnung erfolgt, die auch angekündigt wird, weicht von dieser Erfahrung deutlich ab und es stellt sich in der Tat die Frage, wozu dieses Verfahren dient. Da schon zahlreiche andere Verfahren gezeigt haben, dass sich auch gerade in dieser Praxis der Zweistufigkeit des Vergehens immer wieder Streitigkeiten zwischen den Parteien um die Wirksamkeit von Verträgen entzünden, ist nicht nachvollziehbar, warum die Klägerin an diesem Vorgehen weiter festhält und sich immer wieder nur auf den aufgezeichneten Teil eines unbestellten Telefongesprächs für den Vertragsschluß stützen will, ohne einen Beweis zum Inhalt des ersten Teils des Gesprächs anzubieten oder – besser – diesen gleich mit aufzuzeichnen. Das stimmt nachdenklich.
Erst wenn die Klägerin den Vertragsschluß vollständig nachgewiesen hat, ist der Beklagte für die erklärte Anfechtung wegen Täuschung beweisbelastet.“
Blue GmbH kneift
Diese Rechtsauffassung wäre ein schwerer Schlag für die Doppel-Anruf-Masche.
Die Blue GmbH wollte jedenfalls nicht, dass ein Urteil ergeht, in dem sich eine solche Argumentation findet. War sie zuvor erst einmal nicht zum Gerichtstermin erschienen und hatte ein sogenanntes Versäumnisurteil gegen sich ergehen lassen, zog sie schließlich ihren Einspruch und die Klage zurück; eine Beweisaufnahme durchführen zu lassen, sei wirtschaftlich nicht sinnvoll, erklärte sie im November 2017.
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